Innovative pharmazeutische Transportsysteme

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Neue Verbündete in der Medizin

Max war vollkommen damit beschäftigt, ein Videospiel spielen während Lily gelangweilt darauf wartete, dass ihr Gate am Flughafen Heathrow geöffnet werden würde. Max wendete seinen Körper von Lily ab und hielt seinen dünnen Bildschirm fest als wollte er vermeiden, dass sie etwas zu sehen bekam.

„Was machst du da?“, fragte Lily halb neugierig, halb gelangweilt. Max schaute sie nicht an, um sich weiter auf sein Spiel konzentrieren zu können, antwortete aber schnell: „ob Du es glaubst oder nicht, ich mache meine Hausaufgaben“. Lily war so überrascht, dass sie zu ihm hinüberging.

„Im Ernst? Wir sind auf einer Reise durch Europa, haben noch fünf Tage vor uns bis zur Heimreise und Du machst Deine Hausaufgaben?“

„Ja, das tue ich“, antwortete Max und richtete sich auf, als würde er versuchen, ein unsichtbares Hindernis zu überspringen. Er schien geradezu an seinem Tablet zu kleben.

„Welche Hausaufgaben sind denn so fesselnd?“, fragte Lily ihn und stupste ihn an. Max hielt mit einem enttäuschten Ausdruck auf seinem Gesicht inne. Auf dem Bildschirm erschien GAME OVER in großer, leuchtender Schrift.

„Hoops!“, sagte Lily leise. „Tut mir leid“. Max lehnte sich enttäuscht in seinem Sitz zurück. „Das war meine Hausaufgabe in Physiologie! Wir sollten die Nanoroboter auf einem Virus im Blutkreislauf landen“, sagte er mit trauriger Stimme.

Lily warf ihm einen verwirrten Blick zu, so dass Max mit einer Erklärung begann. „Im Nanobereich, also in einem Maßstab der eine Milliarde Mal kleiner ist als ein Meter, ist durch die Nanotechnologie die Möglichkeit entstanden, Krankheiten in einem frühen Stadium erfolgreich nachzuweisen und Arzneimittel mit der Hilfe von Nanopartikeln an ganz bestimmte Zellen abzugeben. Dank der Nanotechnologie können die Anzahl von Operationen und die Nebenwirkungen von pharmazeutischen Behandlungen minimiert werden.“

Drei Komponenten müssen kombiniert werden, um Medikamente gezielt verabreichen zu können. Erstens benötigt man eine Zielerkennungs-Gruppe, die ein Protein, ein Antikörper oder ein geladenes Molekül sein kann, die das Probleme verursachende Zielgewebe erkennen und sich an es binden kann. Zweitens braucht man einen Träger, an den der Wirkstoff gebunden ist, oder mit anderen Worten, einen Transporteur für das Medikament. Dies kann ein Liposom, ein Nanopartikel, ein Makromolekül wie ein Protein, die DNA, oder ein Kohlenhydrat sein. Als Drittes brauchen wir das Mittel selbst, nämlich das Medikament, welches das Gewebe heilt.

Um die Zerstörung des Trägers durch das Immunsystem des Körpers zu vermeiden, haben wir eine Beschichtung in Form eines biokompatiblen Polymers auf seine Oberfläche aufgebracht. Dieses Polymer wirkt wie eine Tarnkappe, so dass das Medikament unsichtbar für das Immunsystem bleibt. Zusätzlich dazu kann die Beschichtung das Medikament auch weniger toxisch machen. Ein gebräuchliches, hierfür geeignetes Polymer ist Polyethylenglycol, auch bekannt als PEG.

Die nächste Weiterentwicklung bei solchen Arzneimittel-Abgabesystemen stellt der Einsatz sogenannter Nanoroboter dar. Dies sind mikroskopisch kleine, synthetische oder auch biologische Geräte, die Informationen aufnehmen und verarbeiten und im Nanobereich ausführen können. Diese Geräte können sowohl für diagnostische als auch therapeutische Zwecke verwendet werden. Sie nutzen ihre Sensoren, um ein Problem zu detektieren und bewegen sich dann durch den Blutstrom, um die notwendige Medikamentendosis an der richtigen Stelle zu verabreichen. Nanoroboter können in Bereiche im menschlichen Körper gelangen, die anderweitig schwierig oder unmöglich zu erreichen sind. Ihre geringe Größe bedeutet, dass sie leicht mittels minimal invasiver Chirurgie in den Körper eingeführt werden können, sie sind in der Lage Krankheiten in einem sehr frühen Stadium zu erkennen und sie können Infektionen vom Inneren des Körpers aus bekämpfen. Als Gleichnis gesehen ist es so, als würde ein leistungsfähiger, neuer Soldat in die Armee des eigenen Immunsystems aufgenommen werden, der als Verbündeter der weißen Blutkörperchen und anderen natürlichen Abwehrmechanismen kämpft.

„Drug-Delivery-Systeme sind für die Behandlung von Diabetes, Krebs, Aids, Alzheimer und vielen anderen Krankheiten entwickelt worden“, beendete Max seinen Vortrag und zeigte auf seinem Bildschirm eine anspruchsvolle Simulation des Blutstroms durch den gerade ein Nanoroboter navigiert.

Aber Lily war schneller als er. Sie schnappte sich das Gerät und drückte das START-Symbol. „Keine Sorge, Max“, sagte sie. „ich werde Deine Hausaufgaben für Dich erledigen“. Sie begann zu spielen und versuchte ihr Ziel zu finden, indem sie durch eine Arterie navigierte und sich bemühte, nicht mit den roten Blutkörperchen zusammenzustoßen.